1895 flimmerten die ersten bewegten Bilder über europäische Leinwände. Trotz seiner anfänglichen Kürze vermag es der Film – seit seiner Entstehung vor über 100 Jahren –, Menschen jeden Alters in Begeisterung und Staunen zu versetzen. Was als höchstens 10-minütiges Erlebnis für die Augen eines mutigen Publikums begann, wurde schnell um eine auditive Komponente erweitert und bildete fortan nicht nur einen unverzichtbaren Teil der Unterhaltungsindustrie, sondern wurde auch exzessiv als politisches Propaganda-instrument missbraucht. Bereits im Ersten Weltkrieg wurden Soldaten unter anderem mit schöngefärbten Leinwandromanzen bei der Stange gehalten. Wie sich die manipulative Wirkung des Mediums Film vor hundert Jahren konkret gestaltet hat, war Teil des Programms von „Stummfilm im Dialog“. Musikalisch und erklärend begleitet wurde die Filmreihe von Pianist und Filmkenner Gerhard Gruber. Mit seinem Einsatz wurde das kleine, aber interessierte Publikum in der Musikschule Eisenerz in die magische Stummfilmwelt vergangener Zeit entführt. Neben dem propagandistischen Schwerpunkt am ersten Abend bekamen die Filmliebhaber am folgenden Tag thematisch zusammengefasste Filmhäppchen aus der Weimarer Republik serviert.
Auch ein ganz junges Publikums wurde mit der Filmreihe angesprochen: Freitag Vormittag bot sich den SchülerInnen der Eisenerzer Volksschule die Gelegenheit, sich bei der Aufführung von „The Tramp“ (1915) und „Big Buisness“ (1929) mit den Reizen des Stummfilms auseinanderzusetzten. Die Kinder nahmen begeistert Anteil an den Abenteuern von Charlie Chaplin und Laurel & Hardy, und Gerhard Gruber begleitete die vergnüglichen Bilder auf der Leinwand derart leidenschaftlich, dass diese umso lebendiger wirkten. Das Interesse der Kinder an den Vorläufern ihrer Kinohelden äußerte sich in schallendem Gelächter und tosendem Applaus am Ende, und wird ihnen sicher noch lange in Erinnerung bleiben.
Für Begeisterung der anderen Art sorgte der historisch-politische Schwerpunkt von „Stummfilm im Dialog“, der das Programm am Donnerstag-Abend bestimmte. Nach einer prägnanten Einführung über die Anfänge des Films vermittelte Gerhard Gruber am Klavier in einem 10-minütigen Vorprogramm einen einprägsamen Eindruck von der Berichterstattung über die Kriegs- und Heimatfront zu Zeiten des Ersten Weltkrieges. Auf die erhitzende Einstimmung folgte der 52 Minuten lange Hauptfilm „Mit Herz und Hand fürs Vaterland“ (1915). Eine Besonderheit dieses politischen und propagandistischen Kriegsmärchens markiert seine lange Verschollenheit. Erst vor wenigen Jahren wurde der Film in einem schwedischen Archiv wiederentdeckt. Das konstante Raunen, welches am Donnerstag durch die Eisenerzer Besuchermenge ging, hat die eindrucksvolle Wirkung der Propaganda bewiesen, die vor allem im Kontext des modernen Medienzeitalters zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der manipulativen Zweckinstrumentalisierung des Mediums Film anregt. Wer die Vorführung mit eigenen Augen und Ohren erlebt hat, wird bestätigen, dass das Zeitzeugnis vom Beginn des 20. Jahrhunderts niemanden kalt lassen kann.
Im Gegensatz dazu stand der Freitag-Abend ganz im Zeichen der expressionistischen Filmwelten der Weimarer Republik. Unter den thematischen Akzenten von „Dämonisch“ bis „Zukunft“ wurde den Besuchern ein bunter Reigen an Filmausschnitten präsentiert und die geballte emotionale Kraft des Mediums eindrucksvoll nachgezeichnet. Fasziniert haben neben den aufgeregten Tastenschlägen des Klaviers vor allem der ungeheure Detailreichtum und die geniale Konzeption der alten Filmklassiker von „Metropolis“ bis zu „Dr. Caligari“ und „Nibelungen“, deren Grundideen bis heute vielfältig rezipiert und kopiert werden. Insgesamt hat die Filmreihe in längst vergangene Zeiten entführt und stilprägende Filmkunst, musikalisch eindrucksvoll begleitet, vor Augen geführt.
(Text und Fotos von Barbara Jernej und Gerhild Illmaier)