Es war wohl keine gute Idee, das Konzert unter dem Titel „Klang:Kraft“ ausgerechnet an dem Tag anzusetzen, an dem bei der Fußball-WM um den dritten Platz gespielt wurde. Möglicherweise haben manche auch die lange Anfahrt zum JUFA Ramsau gescheut. Oder es war ihnen das angekündigte Musikprogramm zu unorthodox.
Der erlauchte kleine Personenkreis, der sich von derlei Hindernissen nicht abhalten ließ, bekam allerdings ein Musikerlebnis mit Seltenheitswert geboten! Zunächst trat Matthias Loibner mit seiner Drehleier auf. Dieses merkwürdige, seit 800 Jahren bekannte Instrument erlebte seine Hochblüte in der französischen Barockmusik, es wurde aber auch als „Armeninstrument“ eingesetzt, das Blinden in die Hand gedrückt wurde… Gegenwärtig erlebt die Drehleier eine gewisse Renaissance, und Matthias Loibner, der sich das Spiel selbst beigebracht hat, ist heute ein international gefragter Künstler, der mit großen Orchestern Alter Musik ebenso auftritt wie in verschiedenen kleinen Besetzungen.
Bei seinem Solo-Konzert in Eisenerz bestach er mit seiner bescheiden wirkenden, humorvollen Art, in der er zwischen den Stücken kleine Geschichten erzählte, und verblüffte die Anwesenden mit faszinierenden Eigenkompositionen, die ihm zufolge die Summe seiner Eindrücke von verschiedensten Reisen und Stimmungen wiedergeben. Beim Spiel schien er förmlich mit seiner Drehleier zu verschmelzen, und er entlockte ihr ungeahnte Töne und Klangfarben. Zwischendurch interpretierte er als einziges bekanntes Stück, und dies auch stimmlich, das Volkslied „Der Wödverdruss“. Das Publikum war von der Performance hingerissen.
Der zweite Teil des Abends nach der Pause wurde von den beiden Schweizern Christian Zehnder und Tobias Preisig bestritten. Christian Zehnder, als klassischer Bariton und Jazzgitarrist ausgebildet und im Film „Heimatklänge“ als einer der kreativsten und innovativsten Köpfe in der Szene der neuen alpinen Musik vorgestellt, lässt sich in seiner Eigenwilligkeit (ähnlich wie Loibner) gar nicht einordnen. Sein Spezifikum ist der nonverbale Ausdruck der Stimme. In Eisenerz wurde Zehnders Musik perfekt kontrapunktiert von der expressiv klingenden Violine des jungen Kollegen Matthias Preisig, was zusammen eine Art Global-Jodeling mit Obertongesang und betörenden Geigensoli ergab.
Zehnder griff zwischendurch auch zu zwei Orgelpfeifen und bediente sich einer merkwürdigen Art von Harmonika, die er in eng verschränkter Körperhaltung heftig nach oben und unten bewegte. Das alles klang dann abwechselnd archaisch, urban oder sphärisch. (Bei Insidern hat Christian Zehnder Kultstatus, während er für manche Volksmusikpuristen als „der Teufel“ gilt.)
Den letzten Teil des Abends gestalteten die drei Künstler gemeinsam, was nochmals neue und ungewöhnliche Klangerlebnisse produzierte. Die Zuhörer waren einhellig begeistert und bedankten sich mit einem Applaus, der ihre kleine Anzahl Lügen strafte. Drei hoch renommierte Musiker, die meist an großen Bühnen performen, spielten in Eisenerz vor etwa 30 Leuten und boten den wenigen Anwesenden ein Hörerlebnis, das wohl noch einige Zeit im Gedächtnis bleiben wird.