„Der Herr Karl“ – Helmut Qualtingers Klassiker der österreichischen Nachkriegsliteratur als Figurentheater.
Es war wohl der erste Fernsehskandal Österreichs: Helmut Qualtingers Darstellung des Herrn Karl im Jahr 1961. Zum ersten Mal in der Nachkriegszeit wurde das Schweigen über die Nazivergangenheit gebrochen und mit der Figur des Herrn Karl der Durchschnitts-österreicher als Mitläufer des NS-Regimes dargestellt.
„Man wird über den Herrn Karl lachen und weinen, man wird ihn verdammen und bemitleiden, man wird ihn zitieren, man wird ihm – als höchste Bestätigung seiner Gültigkeit – auf Schritt und Tritt begegnen. Sein scheinbar zufälliges Gerede enthält in konzentrierter Form die Substanz eines Zeitromans oder eines Zeitstücks, ist zugleich Zeugnis einer Epoche, Enthüllung einer Haltung und Ergebnis souveräner literarischer Gestaltung, mit einem Wort: ein Stück Welt.“ (Hans Weigel)
Helmut Qualtingers zum Klassiker avancierter Charakter ist immer noch durchaus gegenwärtig. Der junge Puppenspieler Nikolaus Habjan bringt das einstige Skandalstück nun unter der Regie von Simon Meusburger als Puppenspiel auf die Bühne. In der Produktion des Schubert Theaters Wien schlüpft er mithilfe seiner Puppen in die verschiedensten Rollen, die alle zusammen „Der Herr Karl“ sind. Ein Stück österreichisches Kulturgut als erstklassiges Figurentheater.
Fünfzig Jahre österreichische Geschichte passieren Revue im Spießerjargon eines kleinbürgerlichen Opportunisten, für den sich jedes Geschehen und jede Katastrophe auf den privaten Sensationswert reduziert. Ob beim „Anschluss“ an das Deutsche Reich, ob in dem Kriegs- und Nachkriegsjahren – der Herr Karl kann sich immer mit den Verhältnissen arrangieren und seine selbstgerecht-bornierte Mentalität kultivieren, die ihn in ihrer Mischung von Ressentiments, Vorteilssucht und Verantwortungsscheu zum Durchschnittsbürger schlechthin macht. Eigentlich ist er ja ein armer Kerl, im Grunde eine tragische Figur. Er ist der österreichische Anti-Held par excellence!
Carl Merz und Helmut Qualtinger haben den ständig vor sich hin nörgelnd-philosophierenden Delikatessenhändler „Herrn Karl“ selbst kennengelernt. Es entstand die Idee, daraus ein Theaterstück zu entwickeln, ein Stück, das schließlich zu einem der umstrittensten der österreichischen Theaterszene wurde. Die ambivalente österreichische Seele wurde wachgerüttelt und in ihrem tiefsten Inneren verletzt.
(Die Produktion des Schubert Theaters wurde mit dem Best Off Styria Publikumspreis 2010 ausgezeichnet.)
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Ort: Musikschule Eisenerz, Kriechbaumweg 1
Eintritt: Vorverkauf 12 EUR, Abendkasse 15 EUR